Friedensbewegung

Auch die Friedensbewegung prägte durch zahlreiche Groß­demonstrationen die politische Teilhabekultur sowie das Protestklima der Bundesrepublik. Sie stellte eine unmittelbare Reaktion auf den NATO-Beschluss von 1979 dar, der eine Stationierung von Raketen auf europäischem Boden als entsprechendes Gegengewicht zur sowjetischen Kriegsführung und Rüstungspolitik vorsah. Die Furcht der zivilen Bevölkerung vor einem Stellvertreterkrieg auf deutschem Boden zog eine Widerstandhaltung nach sich. Sie basierte auf der Ablehnung sowie dem Infragestellen des Militärischen. Die Mobilisierung zum Protest war dabei nicht an ein politisches Spektrum gebunden, sondern in Bezug auf die Akteure vielfältig.

 

Frauenbewegung

Die Frauenbewegung der Bundesrepublik erschuf durch diverse Protestformen eine feministische Gegenkultur. Von besonderer Wichtigkeit war dabei das Anfechten von traditionellen Familien­bildern, Geschlechterstereotypen sowie der männlichen Dominanz. Durch Eigenbewusstsein und Partizipationsforderungen sollte eine Distanz zum Staat und zum Mann geschaffen werden. Die Forderungen nach Gleichstellung fokussierten sich demnach nicht nur auf die häusliche Situation der Frau, sondern auch auf das öffentliche Wirken in Politik und Wirtschaft. Kritisiert wurde neben dem Ideal der „Ernährer-Hausfrauen-Ehe“ demnach auch die schlechtere Bezahlung der Frau auf dem Arbeitsmarkt. Die Ablehnung traditioneller Werte und Rollenbilder führte auch  zu Demonstrationen, die sich auf das Abtreibungsverbot bezogen. Dies verdeutlichte nicht zuletzt den Wunsch nach Eigenständigkeit und Selbstbestimmung über den eigenen Körper sowie die individuelle Lebensgestaltung.

Lesben- und Schwulenbewegung

Die Lesben- und Schwulenbewegung ist als eine Identitäts­bewegung zu verstehen. Sie setzte sich zu großen Teilen aus Studentinnen und Studenten zusammen. Durch eine Vielzahl an Protesten brach sie mit medial transportierten Klischees. Sie leistete dabei auch Widerstand gegen entsprechende Vorur­teile. Sie sensibiliserte außerdem die Öffentlichkeit hinsichtlich der Nutzung von Schimpfwörtern, die sich auf die sexuelle Orientierung eines Individuums beziehen. Ähnlich wie die Frauen­bewegung zielte sie auf Eigen­bewusstsein und Gleichstellung. Letztere sollte nicht nur in der zivilgesellschaftlichen Wahrnehmung, sondern auch auf rechtlicher Ebene erreicht werden. Die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe wurde dabei jedoch bis heute nicht in allen Ländern erreicht. Die Proteste haben gegenwärtig demnach nicht nur Aktualität, sondern auch internationale Relevanz.

 

#NoNPOG

Die Demonstrationen dieses Bündnisses richten sich gegen den Gesetzesentwurf „NPOG“ der niedersächsischen Landes­­regierung. Protestiert wird gegen die geplante, massive Ausdehnung polizeilicher Befugnisse. Nach dem neuen Polizeigesetz soll die Polizei schon dann Menschen verdeckt überwachen, gezielt verfolgen und Verhaftungen durchsetzen können, wenn ein bloßer Verdacht gegen sie vorliegt – das heißt, wenn ihnen unterstellt wird, über (terroristische) Straftaten nachzudenken, ohne dass sie diese tatsächlich ausführen. Protestiert wird also insbesondere gegen staatliche Angriffe auf Grundrechte und den Abbau von demo­kratischen Freiheitsrechten in Form von verdeckten Bild- und Sprachaufzeichnungen. Es gibt die Furcht vor einem „Überwachungsstaat.“

 

Seebrücke

Im Zentrum der Seebrücken-Demonstrationen steht die Forderung, sichere Häfen an den Außengrenzen Europas zu schaffen. Protestiert wird demnach gegen das Ertrinkenlassen von Flücht­lingen im Mittelmeer sowie gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung. Die europäische Abschottungspolitik und der entsprechende Festungscharakter des Kontinents werden dabei kritisch in Frage gestellt. Die internationale, zivilgesellschaftliche Bewegung wird durch zentrale  Menschenrechtsforderungen gekennzeichnet und fordert eine bündnisübergreifende Solidarität mit Personen, die auf der Flucht sind. Dies schließt eine Ablehnung von Abschiebungsmechanismen mit ein. Dass Migration schon immer ein Teil unserer Gesellschaft war, wird dabei mit Nachdruck betont.

Gelbwestenbewegung

Die französische Zivilbewegung der Gelbwesten übt seit Oktober 2018 Proteste aus, die sich gegen die Politik des Präsidenten der Republik Frankreich, Emmanuel Macron, richten. Die Bezeichnung der Bewegung verweist dabei auf das symbolische Erkennungsmerkmal der Gruppe, das Bestandteil jeder Demonstration ist. Protestiert wird dabei gegen den hohen Anstieg der Wohnungslosenquote sowie die fehlende Begrenzung von Mietpreisen. Auch die Forderung nach einem höheren Mindestlohn wird als relevant eingestuft. Ein solidarisches Rentensystem sowie ein einheitliches Sozialversicherungssystem ist ebenfalls zentral für die Proteste. Weiterhin gilt es, die Erhöhung der Treibstoffsteuern zu verhindern sowie industrielle Arbeitsplätze durch die Verhinderung von Standortverlagerungen zu schützen. Die Forderungen der Gelbwesten sind jedoch nicht nur wirtschaftlicher Natur. Auch die faire Behandlung von Asylbewerben sowie eine gezielte Bekämpfung von Flucht­ursachen, die eine erzwungene Migration nach sich ziehen, stehen im Zentrum des Widerstands. Auch, wenn das Presseecho insbesondere die Gewaltdimension der Proteste wiedergibt, so verdient der umfangreiche Katalog an Forderungen, der sich auf Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe richtet, Gehör zu finden.

Proteste gegen den G20-Gipfel – Bündnis ,,Grenzenlose Solidarität statt G20“

Die Hamburger Proteste von 2017, die sich gegen das Treffen der „Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer“ richteten, haben Diskussionen in Bezug auf den polizeilichen Umgang mit Demonstrationen und die gegenwärtigen sicherheits­politischen Maßnahmen angestoßen. So fokussiert sich die insbesondere im linken Milieu gezeigte Dokumentation „Hamburger Gitter“ auf die Aspekte Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Pressefreiheit. Den medial transportierten Bildern von brennenden Autos auf der Hamburger Elbchaussee und der negativen Darstellung des „Schwarzen Blocks“ werden dabei Zeugenaussagen gegenübergestellt, welche die Bedingungen während der Untersuchungshaft sowie die staatliche Gewaltausübung kritisch beleuchten.

Auch heute hat die Zivilbevölkerung durch kleinere Aktions­formen die Möglichkeit, ein Zeichen gegen die Auflösung der Protestcamps, gewaltsame Polizeiübergriffe und die zahlreichen Inhaftierungen von Demonstrierenden zu setzen – so etwa durch Spenden, die in Anti-Repressionstöpfe fließen.

Fridays for Future

„Ich wünsche mir, dass wir Demonstranten nicht mehr als naive Kinder abgekanzelt werden.“ (Anna Prasser)

Die durch die 16-jährige Greta Thunberg ausgelöste Protest­welle für mehr Klimaschutz bewegt aktuell zahlreiche Schüler*­innen dazu, ihrer Stimme auf der Straße Gehör zu verschaffen. Weltweit demonstrieren Jugendliche und Kinder dabei bereits in 123 Ländern friedlich und unter dem Slogan „Ich liebe diese Erde – Du auch?“ für die Rettung des Planeten. Die ebenfalls als „Youth Strike 4 Cliamate“ bekannte Bewegung bricht dabei absichtlich mit den Gesetzen des Gewohnten – der schulische Alltag wird an Freitagen bewusst stillgelegt und für eine bessere Zukunft gegen politischen Aktivismus getauscht.

„Protest ist das, was wir an der Oberfläche sehen können, aber die Leute, die protestieren, gehen als andere Menschen nach Hause. Sie nehmen die Energie mit und wandeln ihr Engagement in andere Formen um.“ (Simon Teune)